Das Eiszeitalter

Wechsel der Kalt- und Warmzeiten

Vor circa 2,6 Millionen Jahren wurde als Folge tiefgreifender, globaler Klimaveränderungen ein neues Kapitel der Landschaftsgeschichte im Wittelsbacher Land aufgeschlagen, das Eiszeitalter. In dieser Epoche extremer Temperaturschwankungen wechselten mehrfach kalte und trockene Klimaphasen, sogenannte Kaltzeiten (Eiszeiten oder Glaziale), mit wärmeren und feuchteren Warmzeiten (Zwischeneiszeiten oder Interglaziale) ab. Für den Alpenraum lassen sich mindestens sechs bis neun Kaltzeiten nachweisen, von denen die jüngsten vier als Günz-, Mindel-, Riß- und Würm-Eiszeit allgemein bekannt wurden. Mit dem Ausklingen der letzten Kaltphase vor circa 11.500 Jahren zogen sich die Gletscher letztmalig aus dem Alpenvorland zurück.

Während der Warmzeiten herrschten im Alpenvorland dem heutigen Klima vergleichbare oder etwas wärmere Bedingungen. In den Kaltzeiten dagegen sanken die mittleren Temperaturen auf Werte von etwa minus zwei Grad Celsius. Sie lagen damit um circa zehn bis zwölf Grad unter den heutigen Jahresmittelwerten.

Abnehmende Jahresmitteltemperaturen zu Beginn einer jeweiligen Kaltzeit ließen die Schneegrenze allmählich sinken. In den Alpen konnte sich so der als Schnee gefallene Niederschlag Jahr für Jahr ansammeln. Ausgehend von den Hochlagen des Gebirges begannen die Gletscher kontinuierlich zu wachsen und sich talwärts auszubreiten. Nach und nach füllten sie ganze Täler auf um schließlich riesige, über einzelne Täler hinweg miteinander vernetzte Eisströme zu bilden. In den jeweiligen Hoch-glazialzeiten ertranken die Alpen letztlich in einem Panzer aus Gletschereis, aus dem nur noch die höchsten Gipfel herausragten.

Die mächtigen alpinen Gletscher strömten durch die großen Alpentäler nach Norden. Durch die Pforten der Haupttäler traten sie ins Alpenvorland, wo sie sich fächerförmig und teils in einzelne Gletscherzungen aufspalteten und als Vorlandgletscher weiter ausbreiteten. Waren die Eismassen der Gletscher am Alpenrand noch oft Hunderte von Metern dick, so dünnten sie nach Norden zu langsam aus und erreichten an ihrem Eisrand schließlich ein labiles Gleichgewicht, wo etwa so viel Eis nachströmte wie abschmolz. Für das Wittelsbacher Land direkt oder indirekt landschaftsprägend waren der Lech-Wertach-Vorlandgletscher mit seiner östlichsten Gletscherzunge (Schongauer Lobus) sowie der Isar-Loisach-Vorlandgletscher mit dem westlichen Ammersee-Lobus.

Die Kraft der Gletscher

Die enormen Schuttmassen, die die mächtigen Gletscher aus den Alpen ins Vorland transportierten, lagerten sie an ihrer Basis als Grundmoränen oder vor ihrer Gletscherstirn als Endmoränen ab. Das Moränenmaterial blieb dabei völlig unsortiert. Alle Korngrößen, vom feinsten Ton über Sand und Kies bis hin zu mehrere Meter großen Blöcken finden sich heute im Moränenschutt kunterbunt vermengt.

Die großen wallförmigen Endmoränen wurden in Phasen des Eisstillstands gebildet. In jenen Stadien herrschte an der Gletscherfront ein Gleichgewicht zwischen Nachfließen und Abschmelzen des Eises. Dadurch war ein kontinuierlicher Nachschub an Gesteinsschutt über einen längeren Zeitraum gegeben. Girlandenartig hintereinander angeordnete Moränenbögen, die die Form der Gletscherzungen im Detail nachzeichnen, markieren den maximalen Eisvorstoß und verschiedene Rückzugs-Stadien. Die Gletscherfront markiert zudem die Trennlinie zwischen vergletscherten und nicht vergletscherten, das Eis umgebenden, sogenannten periglazialen Gebieten im Alpenvorland.

Während der großen Eisvorstöße strömten gewaltige Schmelzwassermassen aus dem Abtaubereich der Gletscherzungen durch Gletscher-tore ins Vorland. Sie transportierten riesige Mengen an Gesteinsschutt, rissen aber auch Material vorausgegangener Eiszeiten mit sich. Nördlich der äußersten Moränenzüge entstanden weite, ausgedehnte Schotterflächen, wie zum Beispiel das Lechtal. Im Gegensatz zu dem unsortierten Moränenmaterial der Gletscher hinterließen die Schmelzwässer ihre Ablagerungen wohl geordnet. Ihre Sedimente sind geschichtet und gut sortiert. Große Blöcke und Steine wurden nur über kurze Strecken transportiert und bereits nahe der Moränen abgelagert. Kiese und Sande verfrachteten die Schmelzwasserströme als Gerölle weiter nordwärts, teilweise über Dutzende Kilometer, bevor die Strömung nachließ und sie in Form weiter Schotterflächen sedimentierte.

Die feineren Komponenten wie Schluff und Ton wurden im abfließenden Wasser als Schwebstoffe weiter Richtung (Ur-)Donau und Schwarzes Meer transportiert. Durch die mehrmalig wechselnden Kalt- und Warmphasen hindurch wiederholten sich diese Prozesse und schufen damit verschieden alte Schotterebenen und Terrassentreppen. Als eindrucksvolles Resultat dieser Geschehnisse verblieb die Aindlinger Terrassentreppe.

Die Feinmodellierung

Im Eiszeitalter lag das Wittelsbacher Land zumeist am unmittelbaren Rand der Vorlandgletscher, folglich im periglazialen Bereich. Hier herrschte ein Frostwechselklima, das mit jenem der heutigen (Sub-)Polargebiete und Hoch-gebirge vergleichbar ist. Im Permafrost waren die Frostverwitterung, das Durchmischen des oberflächennahen Untergrunds durch Gefrieren und Wiederauftauen (Kryoturbation) und das langsame, hangabwärts gerichtete Bodenfließen in der sommerlichen Auftauzone (Solifluktion) ganz wesentliche Prozesse, die diese karge Tundra-Landschaft überformten. Geländemodellierend trat auch lockeres Feinmaterial auf, das aus den vegetationsarmen Schotterfluren und Flusstälern ausgeweht, als Flugsand und Löss verfrachtet und als durch den Wind verfrachtetes, sogenanntes äolisches Sediment in den umliegenden Hügelländern wieder abgelagert wurde.

Mammut und Wollnashorn

Die Böden dieser Tundra waren nur spärlich mit Flechten, Moosen und Zwergsträuchern bewachsen. Hier lebten eiszeitliche Großtiere wie Mammut, Wollnashorn, Moschusochse, Urpferd, Riesenhirsch und Rentier. In den Zwischenwarmzeiten wurden diese Tiere aber immer wieder von Einwanderern aus Südeuropa, wie Flusspferd, Wasserbüffel und Waldnashorn, verdrängt.

Titelbild: Weitester Vorstoß der Vorlandgletscher während der Würm-Eiszeit (durchgezogene Linie) und der Riß-Eiszeit (gestrichelte Linie) mit ihren Schmelzwasserabflussrinnen (hellgrau). Grafik: Stefan Gerstorfer, nach LfU 2009, geändert