Naturraum Tertiärhügelland

Zwischen dem breiten Talraum des Lechs im Westen, der Ebene des Donaumooses im Norden und der Altmoränenlandschaft im Süden erstreckt sich der flächenmäßig größte Naturraum des Wittelsbacher Landes, das Tertiärhügelland. Es wurde weder von den eiszeitlichen Vorlandgletschern erreicht, noch von deren Schmelzwasserströmen überformt. Hier finden sich mit den locker verbliebenen und wechsellagernden Grob- und Feinsedimenten der Oberen Süßwassermolasse - im Wesentlichen Kiessande, Sande, Schluffe und Tone - die ältesten oberflächlich anstehenden Gesteine im Wittelsbacher Land.

Die weich gezeichnete Landschaft

Das heute so charakteristische Antlitz des Tertiärhügellandes mit seinen sanften Hügeln und Tälern ist das Ergebnis von warmzeitlichen, insbesondere aber auch kaltzeitlich-periglazialen Prozessen, den sogenannten Weichzeichnern der Landschaft. Es waren die stetig wirkenden Kräfte der Erosion, die in den letzten 10 Millionen Jahren mit Hebung des Molassebeckens und der dadurch ausgelösten Gefälleumkehr dazu ansetzten, das Hügelland zu modellieren. Mittels eines Systems neu angelegter Bäche, Flüsse und Täler bildete sich allmählich das uns vertraute Oberflächenrelief. Heute gliedert ein engmaschiges, fein verzweigtes Talnetz die Landschaft in zahlreiche Höhenrücken und Kuppen. Sie erheben sich teils sanfter, teils steiler, durchschnittlich 30 bis 50 Meter über die Talsohlen.

Zur feinen Modellierung des Tertiärhügellandes trug auch der sogenannte Flinz bei. Darunter versteht der Volksmund jene fein körnigen Mergel, Schluffe und Feinsande der Oberen Süßwassermolasse, die wegen ihres relativ hohen Anteils am Mineral Glimmer flinzeln, also glitzern. Der Flinz wirkt in wechsellagernden, grob- und feinkörnigen Schichten als wasserstauender Horizont, über dem zahlreiche Quellen in unterschiedlichen Höhenlagen zutage treten und kleine Quellbäche speisen.

Wie der Boden das Hügelland prägt

Im Eiszeitalter herrschte im Vorland der Gletscher während der Kaltzeiten Permafrost. In den relevanten Kälteperioden waren vor allem frostdynamische Prozesse wie Kryoturbation und Solifluktion formungsaktiv und reliefgestaltend. Großen Einfluss auf das Oberflächenrelief übte auch der Löss aus.

Durch das Frostwechselklima, das sowohl das hangabwärts gerichtete Bodenfließen in der sommerlichen Auftauzone als auch den generellen Hangabtrag durch Erosion förderte, verstärkte sich die weitere Eintiefung und Ausformung der Täler. Als periglaziales, klima- und expositionsgesteuertes Phänomen lassen sich so die für das Tertiärhügelland typischen asymmetrischen Täler erklären. Kennzeichnend sind eine sonnenzugewandte steilere und eine sonnenabgewandte flachere Hangseite. Je tiefgreifender die Auftauschicht des kaltzeitlichen Dauerfrostbodens des Hanges war und je mehr Material durch im Talgrund fließende Gewässer abgetragen wurde, desto stärker versteilte sich der Hang.

Und oben drauf der Löss

Die im Tertiärhügelland zutage tretenden Molassesedimente sind vielerorts von feinkörnigem Löss überdeckt, welcher während der kaltzeitlichen Phasen des Eiszeitalters aus den vegetationsarmen Flussbetten und Schotterfluren der Voralpenlandschaft ausgeblasen wurde. Seine Verbreitung im Hügelland verweist auf das Lechtal im Westen als maßgebliches Liefergebiet. Während er in den lechnahen Gebieten teils meterdick abgelagert wurde, nimmt seine Mächtigkeit in östlicher Richtung ab.

Auch die typische Talasymmetrie von Nord-Süd-verlaufenden Tälern lässt sich, neben dem Bodenfließen, über die Einwehung von Löss erklären. Beispielhaft hierfür ist das Weilachtal. Einem flach gegen Osten geneigten Westhang steht ein auffallend steiler Osthang gegenüber. Der aus Westen blasende Wind lagerte das mitgeführte Löss- und Sandmaterial an der windabgewandten Hangseite ab und formte hier einen Flachhang aus. Dagegen bildete sich auf der windzugewandten (westexponierten) Hangseite durch das Auswehen von Feinmaterial ein steilerer Hang aus.

Nutzungsmuster

Durch intensive frostdynamische Aufarbeitungs-, Umlagerungs- und Durchmischungsvorgänge entstanden aus dem Löss schließlich entkalkte Lösslehme. Ihnen verdanken die Böden ihre außerordentliche Fruchtbarkeit. Schon seit altersher werden die durchwegs fruchtbaren Böden größtenteils ackerbaulich genutzt. Von Feuchte geprägte Mulden und Täler wurden als Grünland bewirtschaftet, steilere Hangpartien hingegen als Wald. Heute werden etwa zwei Drittel des Naturraums mit Feldfrüchten bestellt. Waldflächen nehmen nur etwa ein Viertel ein. Verschwindend gering hingegen ist der Anteil an Wiesen und Weiden. Er beträgt heute nur noch wenige Prozentpunkte der Gesamtfläche.

Die Besiedlung steuernde Faktoren

Während die Siedlungstätigkeit der Menschen zunächst entlang der Flüsse verlief, erfolgte die Landnahme im Hügelland erst in nachrömischer Zeit. Obwohl die Besiedlung auch hier mit Waldrodungen verbunden war, wird noch bis Ende des ersten Jahrtausends von einem zusammenhängenden ostwestlich verlaufenden Waldgürtel im Wittelsbacher Land berichtet. Dann bildete sich innerhalb weniger Jahrhunderte eine Offenland-Wald-Verteilung heraus, die sich seit dem Hochmittelalter kaum mehr wesentlich verändert hat. Schichtwasseraustritte über wasserstauenden Flinzschichten in unterschiedlichen Höhenlagen waren auch siedlungsgeschichtlich bedeutsam: Manche Quellen, Quellbäche und Tümpel wurden im Hochmittelalter als Siedlungsplätze ausgewählt. Deren unregelmäßige Verteilung im Raum dürfte das charakteristische Bild der Streusiedlungen im Tertiärhügelland befördert haben.

Titelbild: Während Hügelkuppen und steilere Flanken meist von Wald bestanden sind, dominiert sonst Ackerland. Lediglich die Bachtäler werden teilweise von Wiesen ausgekleidet (hier der Blick von Hörmannsberg Richtung Süden). Foto: Stefan Gerstorfer

Bild oben: Das Relief ist im Tertiärhügelland der bildprägende Faktor und schafft besondere Motive (hier der Blick auf den Kirchturm von Meringerzell). Foto: Stefan Gerstorfer

Bild Mitte: Bachtäler gliedern das flachwellige Hügelland (hier das Schneitbachtal an der Mündung in die Paar bei Unterschneitbach). Foto: Erich Echter

Bild unten: Ein Wechsel aus Siedlungen, Wäldern, Wiesen und Äckern kennzeichnet das Tertärhügelland. Hecken und Feldgehölze geben der Landschaft zusätzliche Konturen (hier bei Oberschneitbach). Foto: Erich Echter